Ein fröhliches Hallihallo ☺️ Heute lade ich dich ein, mich zu einer weiteren Station meiner Reise mit meinem Freund Morbus zu begleiten: Die letzte Reha.
Mit vielen hoffnungsvollen und euphorischen Gefühlen bin ich Ende März zu dieser notwendigen Maßnahme aufgebrochen. Meine Erwartungen waren von Erfahrungen aus vorangegangenen Kuraufenthalten und meiner Berufserfahrung aus meiner Tätigkeit in einer Vorsorge- und Rehaklinik geprägt. Und wie das dann so oft mit Erwartungen ist… sie müssen sich früher oder später dem Realitäts-Check stellen.
Die Realität hat mich dort UNERWARTET eingeholt. So musste ich entgegen meiner großen Hoffnung im Aufnahmegespräch hören, was alles NICHT möglich sei. UNERWARTET war auch das seitens des Versicherungsträgers angeordnete Reha-Programm. Meine Hoffnungen und Wünsche gingen in eine andere Richtung und waren zunächst einmal dahin.
Tja, meine Patientinnen in der Mutter-Kind-Rehaklinik darf ich im Rahmen meiner Arbeit immer wieder genau dabei unterstützen: Sich mit den Reha-Abläufen und UNERWARTETen Verläufen auseinanderzusetzen. Doch als ich damit selbst dran war, stellte mich das UNERWARTET vor eine große Herausforderung. Unbemerkt hatten die Stresssymptome meine Flexibilität stark eingeschränkt. Daher brauchte es ein paar Tage der Anpassung. Dann konnte ich meine Erwartungen etwas an die Seite schieben und so konnte sich meine Neugierde wieder ausbreiten. Ich fragte mich, was mir die Reha ANSTELLE meiner Erwartungen denn ANDERES zu bieten haben könnte. Das öffnete mein Sichtfeld wieder.

Anstelle der Einzelbehandlungen bekam ich Lachen als Therapie. Ja. Du hast richtig gelesen: Lachen! Mein Dank an dieser Stelle an die Physiotherapeut*innen dieser Klinik, die meine Gruppe mit sehr viel Humor und Kompetenz durch diese Zeit begleitet haben. Die vielen Momente, in denen wir herzhaft lachen und auch einmal den Fokus weg von den vielen Gedanken und hin zum eigenen Körper lenken, einfach im Hier und Jetzt achtsam sein konnten, die waren großartig. Und die waren ebenfalls UNERWARTET.
Von den Maßnahmen während der Reha selbst möchte ich jedoch nur noch das Abschlussgespräch erwähnen. In dem wandte sich ein sehr kompetenter und erfahrener Facharzt für Orthopädie und Sozialmedizin meiner Patientenakte zu. Nach einer sehr ausführlichen und umsichtigen Abschlussuntersuchung kam er zu dem Ergebnis, dass die Einschränkungen durch die Erkrankung schon größer seien, als ich subjektiv wahrgenommen hatte.
Wie ich im Blog schon beschrieben habe, habe ich von meiner Familie gelernt, durchzuhalten, stark zu sein, Haltung zu bewahren, immer schön die Zähne zusammenzubeißen und weiterzumachen. Das hat meine Familie in der Vergangenheit durch viele Widrigkeiten des Lebens geführt – dabei immer mit Liebe und Mitgefühl füreinander.
Mein Freund Morbus hat mich jetzt aber vor die Aufgabe gestellt, diese alten Überzeugungen neu zu bewerten.
- Passen sie immer noch zu mir?
- Sind mir diese Überzeugungen nützlich?
- Müssen sie verändert werden?
Ich musste erneut erkennen, dass ich durch diese unbewussten Überzeugungen sehr oft über meine Belastungsgrenzen gegangen war – was nicht zuletzt ja auch dazu geführt hatte, dass diese Reha notwendig wurde (nötig, um zu wenden). Es brauchte eben genau diese Reha, die mir viele UNERWARTETe Momente bescherte, um aus meinen vertrauten alten Bahnen herauszukommen. Nun kann man UNERWARTETes negativ als Unheil oder auch positiv als Chance bewerten, die Veränderung einläuten kann. Die Bewertung führt dann dazu, ob wir auf das UNERWARTETe mit Stresssymptomen reagieren oder nicht. Auf jeden Fall ist UNERWARTETes auch erst einmal eine „Erschütterung“ des erwartungsvollen Konstrukts der Realität. Erwartungen sind sehr menschlich. Erwartungen helfen uns ja auch zu planen und uns auf kommende Situationen einzustellen. Aber sehr fixe Pläne schränken auch den Handlungsspielraum und das Sichtfeld ein. Daher mussten meine Erwartungen erst einmal ordentlich durchgeschüttelt werden, um wieder einen klaren Durchblick zu haben.
Flexibilität laut Duden online: Substantiv, feminin, flexible Beschaffenheit; Biegsamkeit, Elastizität; Fähigkeit des flexiblen, anpassungsfähigen Verhaltens
https://www.duden.de/suchen/dudenonline/Flexibilit%C3%A4t Abruf 28.05.2022
Auch diese Fähigkeit habe ich von meinen Vorfahren gelernt und dafür bin ich sehr dankbar. Sich immer wieder an die wechselnden Anforderungen der Umwelt anzupassen und aus den Herausforderungen zu lernen. Manchmal braucht es mehr, manchmal weniger Zeit, um diese Flexibilität zu aktivieren. Und manchmal braucht es eben auch etwas „Erschütterndes“ …
Welchen besonderen Nutzen hatte nun diese Reha für mich?
Natürlich kann ich sagen, dass allein der Aufenthalt am Meer für mich persönlich immer schon etwas Beruhigendes hat, was meiner Regeneration dient. Auch die Rahmenbedingungen der Kurklinik waren insgesamt recht gut. Doch am meisten Nutzen zog ich aus meinem Abschlussgespräch und der Einschätzung des Facharztes für Orthopädie und Sozialmedizin. Dieser Arzt schenkte mir Gehör und zeigte mir viel Verständnis und Mitgefühl, so dass ich mich seinen Argumenten vertrauensvoll öffnen konnte.
In den nächsten Wochen werde ich mich noch durch eine große Zahl von Facharztuntersuchungen raufen müssen, um durch eine Differentialdiagnostik die sinnvollen Therapien besser abstimmen zu können. Darüber hinaus wird es nötig sein, mein Arbeitspensum anzupassen. Das wird mir schwerfallen, weil ich doch genau durch meine Leistungen immer den Anschein einer gesunden Frau bewahren konnte – unbewusst bisher. Ich werde mich also auch mit dem Thema Akzeptanz weiter auseinandersetzen müssen, bis ich den aktuellen Grad meiner „Bechterew-Beeinträchtigung“ so in mein Selbstbild und mein Leben integrieren konnte, dass es wieder kongruent zu dem IST-Zustand passt. Auch das wird mich anstrengen. Soweit zumindest meine Erwartung 😉
Was aber unter dem Strich den größten Effekt für meine Gesundheit hatte, ist die „Erlaubnis“ durch einen unabhängigen und kompetenten Facharzt, kürzertreten zu dürfen. Nein. Sogar zu müssen, um das Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten. Dieser Effekt ist von all den Maßnahmen dort am wirkungsvollsten und schenkt Hoffnung. Daher gilt mein ganz besonderer Dank Herrn Dr. Seidlein an dieser Stelle! Ich habe sehr von unserem Gespräch profitiert.

Am Ende meines heutigen Posts wünsche ich dir nun einen großen Handlungsspielraum, wenig Stress und somit viel Flexibilität. Flexibilität ist eine Fähigkeit und wie das so mit Fähigkeiten ist: Man kann sie er- und verlernen und fördern und lehren und vorleben …
In diesem Sinne sage ich bis bald und sende dir viele herzliche Grüße aus dem Vorharz,
Muna